Immer wieder einmal stolpere ich über ein Wort, dass ich sonst völlig selbstverständlich (und auch ein bisschen achtlos) benutze, schaue es mir genauer an, und denke: Ein derart treffendes, originelles, liebevolles und selbst Fremdsprachigen intuitiv verständliches Wort kann es wirklich nur im Schweizerdeutschen geben. Natürlich fällt mir ausgerechnet jetzt (wo das Blog in Reichweite wäre) kein Beispiel ein, das meine These zweifelsfrei belegen würde; aber ich werde die Beispiele zu gegebener Zeit nachliefern.
Ein deutscher Freund ist beispielsweise dem Charme des Wortes Rundumeli (das sich mit Scheibchen wirklich nur äusserst dürftig übersetzen lässt) restlos erlegen. Ist eine kurze Erheiterung angesagt, rufe ich: “Rundumeli!” oder auch “Rundumeli?” - und er schmeisst sich weg.
So wirklich treffend sind aber eher die Verben: aapfurre zum Beispiel. Oder umegarettle. Oder schibäbele. Oder chröse. Wobei ich mir die Übersetzungsversuche an dieser Stelle erspare, denn schliesslich vertrete ich ja die These, dass diese Wörter selbst Fremdsprachigen intuitiv verständlich sind.
Nicht überzeugt? Dann führe man sich doch wieder einmal das Totemügerli von Franz Hohler zu Gemüte. Da wird mit sehr stimmigen, aber grösstenteils frei erfundenen Wörtern es bärndütsches Gschichtli erzählt, das jeder (irgendwie) versteht. (Eine Transkription gibt es beispielweise weiter unten). Und auch heute noch, rund 25 Jahre nach meiner ersten Franz-Hohler-Kassette, kann ich mich immer noch wegschmeissen, sobald ich das Wort gschanghangizigerlifisionööggelet höre. Oder gibt es eine schönere Beschreibung für das plötzliche Erlamen des Lebensmutes als die Wendung, dass einem ds Härzgätterli zum Hosegschingg uspföderlet?
ds totemügerli von Franz Hohler
Gäuit, we mer da grad eso schön binanger sitze, hani däicht, ig chonnt nech vilech es bärndütsches Gschichtli verzeue. Es isch zwar es bsunders uganteligs Gschichtli, wo aber no gar nid eso lang här im Mittlere Schategibueggdäli passiert isch!
Dr Schöppelimunggi u dr Houderelerbäseler si einisch spät am Abe, wo scho Schibützu dürs Gochlimoos pfoderet het, übers batzmättere Heigescht im Erpfetli zueglüffe u hei nang agschitelet u gschigöggelet, das me ds Gottsbäri hät chönne meine, si sigi nanger scheich.
"No ei so schlöötzlige Blotzbängu am Fläre u i verminggle dr ds Bätzi, das d' Osterpföteler ghörsch zabanggle!". "Drbi wärsch froh, hättsch e einzige, nusige Schirggeler uf em Lugipfupf¨" U so isch das hin u här gange wie nes Fähregschäderli amene Miuchgröötzi, da seit plötzlech Houderebäseler zu Schöppelimunggi: "Schtiu! Was ziberlet dert näbem Tobuöhli z Grachtige uuf u aab?"
Schöppelimunggi het gschläfzet wie ne Gitzeler u hets du o gseh. Es Totemügerli! U nid nume eis, nei zwöi, drü vier, es ganzes Schoossiniong vou si da dasumegschläbberlet u hei zängpinggerlet u globofzgerlet u gschanghangfisionööggelet, das es eim richtig agschnäggelet het. Schöppelimunggi u Houderebäseler hei nanger nume zuegmungget und hei ganz hingerbiggerig wöue abschöberle. Aber chum hei si dr Awang ytröölet, gröötzet es Totemügerli: "Heeee, dir zwe!"
Uuuu, dene zwene isch es i d'Chnöde glöötet wie bschüttigs Chrützimäu düre Chatschäbertroog. Düpfelig u gnüütelig si si blibe sta wie zwöi gripseti Mischtschwibeli, u scho isch das Totemügerli was tschigerlisch was pfigerlisch bine zueche gsi. Äs hetse zersch es Rünggli chiblig u gschifelig agnötelet u de mööglige gfragt: "Chöit dir is häufe ds Blindeli dr Stotzgrotze ufe ds graage?"
Wo dr Schöppelimunggi ds Wort "Blindeli" ghört het, het em fasch wöue ds Härzgätterli zum Hosetschiengg uspfodere, aber Houderebäseler het em zuegaschplet: "Du weisch doch, das me a me ne Totemügerli nie darf nei säge!" U du si si haut mitgschnarpflet.
"Sooo dir zwe!" hets Totemügerli gseit, wo si zum Blindeli cho si, u die angere Totemügerli si ganz rüeiig dagaltzlet u hei nume uschinig inegschwärzelet.
Da hei beidi gwüsst, was es Scheieli Gschlichets ds Gloubige choschtet u hei ds Blindeli agroupet. Dr eint am Schörpfu u dr anger a de Gängeretaupli.
Uuuuuh, das isch e botterepflooregi Strüpfete gsi! Die zwe hei gschwouderet u ghetzbacheret, das si znäbis meh gwüsst hei, wo se dr Gürchu zwurglet. Daa, zeis dapf, wo si scho haub dr Stotsgrotze uchegaschpapperet gsi si, fat sech ds Blindeli afa zirge u bärglet mit durgliger Stimm: ooooh, wir buchet mir dr Glutz!"
Jetz hets aber em Schöppelimunggi böös im Schissächerli guuget. Er het ds Blindeli la Glootsche und isch dr Stotzgrotze abdotzlet, wie wen em dr Huurligwaag mit em Flartise dr Schtirps vermöcklet hät. "Häb düre Münggu!" het em dr Houderebäseler no nachegmooret, u vo de a het er nümme gwüsst.
Am andere Morge hetne Stotzgrotzis Eusi gfunde, chäfu u dunggig wie ne Öiu. Es isch meh weder e Monet gange, bis er wider het chönne ds Gräppli im Hootschmage bleiche. Totemügerli u Blindeli het er keis me gseh, sis Läbe lang. Dr Schöppelimunggi isch vo da a verschwunde gsi.
Für alle die das "Bärndeutsch" nicht verstehen, habe ich noch eine übersetzung.
ds totemügerli.. die Übersetzung von husky.org
Seelenaussauger
Wenn sich mir schon die Gelegenheit bietet und wie hier alle so schön beieinander sitzen, habe
ich mir gedacht, ich könnte euch vielleicht eine kleine Geschichte erzählen. Es ist zwar eine
besonders unanständige und unerhört schauerliche Begebenheit, sie hat sich jedoch vor gar
nicht mal so langer Zeit im mittleren Schatteggtal ereignet.
Der Schnulleredmund und der Holunderstaudenpascal marschierten einst spät am Abend, als
schon der alte Birkhahn durch das Schatteggmos rief, über die Wiese des alten Batzmeiers in
Richtung des kleinen Weilers Erpfenwil. Während dem kurzen Marsch konnten sie es nicht
unterlassen, einander zu verspotten und sich gegenseitig auf die Schippe zu nehmen. Man hätte
tatsächlich fast meinen können, aus dem Spass würde Ernst und sie würden als nächstes
aufeinander losgehen. „Noch so eine miese, hinterhältige Behauptung über meine Frau, und ich
prügle so sehr auf dich ein, dass du denkst, Oster und Weihnachtsglocken läuten dieses Jahr am
selben Tag!“ „Dabei wärst du froh, wenn deine Frau doch wenigstens eine lausig Mitgift mit in die
Ehe gebracht hätte!“ Und so gab ein Wort das andere, es mache den Anschein, als würden sie
sich als nächstes in einen brutalen Kampf stürzen. Plötzlich aber, sagte der
Holunderstaudenpascal verstolen zu Schnulleredmund:
„Still! Was keucht dort hinten in der Nähe des Friedhofs geschäftig auf und ab?“
Schnullermund blinzelte wie ein Kanalarbeiter nach zwölf Stunden Dienst und sah es schliesslich
auch. Ein Seelenaussauger! Und nicht nur einer! Nein, zwei, drei, viel, fünf, eine ganze
Fussballmannschaft voller Seelenaussauger Alle sind sie dort hinten herumgehüpft,
geschlendert, geschlichen, gekrochen, und geeilt, beim blossen Anblick wurde einem Angst und
Bange! Schnulleredmund und Holunderstaudenpascal blinzelten einander versteckt zu und
wollten sich heimlich davonschleichen. Aber kaum hatten sie sich umgedreht, kreischte ein
Seelenaussauger:
„Hey, ihr zwei!“
Der gellende Schrei fuhr ihnen durch Mark und Bein wie ein Blitz, der im Boden einschlägt.
Kleinlaut und eingeschüchtert blieben sie stehen, wie zwei Lausebengel die beim Klauen von
Knallfröschen erwischt wurden. Es sie sich versahen, stand der Seelenaussauger auch schon
neben ihnen. Er musterte die zwei zuerst eine halbe Ewigkeit lang und schaute sie schief an,
dann fragte er sie höflich:
„Könntet ihr uns helfen, die Leiche der alten Buchbinderin aus dem Friedhofsareal zu
schleppen?“
Als Schnulleredmund hörte, was die Seelenaussauger vorhatten, schien es ihm, als fiele ihm sein
Herz hinunter in die Hose und entwische als nächstes aus seinem Hosenbund. Aber
Holunderstaudenpascal raunte ihm zu: „Du weißt doch, das man einem Seelenaussauger keinen
Wunsch abschlagen darf!“ Uns so schlurften die beiden halt angsterfüllt zum Friedhof.
„So ihr zwei!“ sagte der Seelenaussauger als sie endlich beim Grab der alten Buchbinderin
angelangt waren, die anderen Seelenaussauger waren ganz diskret herbeigeeilt und musterten
die Unglücksraben nur verstohlen. Die zwei wussten jedoch, was sie zu tun hatten, wenn ihnen
ihr Leben lieb war und machten sich sogleich an die gefürchtete Arbeit. Sie packten die Leiche,
der einte am Schopf und der andere an den Füssen. Was war dass für eine elende Last! Sie
schleppten und schleppten – so lange, dass ihnen bald alle Sinne vergingen. Urplötzlich, als sie
den Friedhofshügel schon fast hinter sich gelassen hatten, fing sich die Leiche zu bewegen und
die alte Buchbinderin meldete sich mit scheuem Stimmlein:
„Oh was knurrt mir der Magen!“
Jetzt hatte Schnullermund endgültig das Herz in der Hose! Er liess die Leiche auf den Boden
plumpsen und machte sich aus dem Staub, wie wenn der Teufel persönlich hinter ihm her wäre.
„Komm zurück und halte durch Edmund!“ schrie ihm Holunderstaudenpascal noch nach, aber
mehr konnte er auch nicht tun. Am anderen Morgen fand ihm Bathmeiers Elsa. Schwach und
elend wie ein halbtoter Vogel, und es verging mehr als ein Monat, bis er wieder aus dem Haus
und am Friedhof vorbei gehen konnte. Sein Leben lang sah er keinen Seelenaussauger mehr
und das Grab der alten Buchbinderin fand man nie wieder. Aber
auch Schnulleredmund war von der gesichtsträchtigen Nacht an,
spurlos verschwunden.